Wahlplakate in Aachen

Heute ist Kommunalwahl in NRW. Da hatte ich in den letzten Wochen natürlich ausreichend Gelegenheit, mir die Wahlplakate in Aachen mal anzuschauen, meist im Vorbeifahren.

Die Grünen gehen mit einer unabhängigen Kandidatin ins Rennen, die im derzeitigen politischen Klima (!) gar nicht mal so schlechte Chancen hat. Dabei ist sie politisch eher unerfahren, aber das muss ja nicht schlecht sein.

Das Plakat glänzt jedenfalls mit der Abwesenheit eines Parteinamens. Offenbar ist das nicht nötig, oder die Grünen gehen davon aus, dass die stilisierte Sonnenblume unten rechts als Erkennungsmerkmal ausreicht. Damit läuft die Partei aber an einen wesentlichen Teil ihrer Zielgruppe, nämlichen das Jungvolk, vorbei. Woher soll ein im Internet sozialisierter Mensch, dem das klassische Parteisystem eher fremd ist, aus diesem Plakat schließen, dass er „Die Grünen“ zu wählen hat? Gut, beim OB steht insbesondere die Person zur Wahl, aber es wird ja auch ein Stadtrat gewählt. Ist ja irgendwie Verschwendung, wenn das Plakat nicht auch als Parteien-Werbung dienen kann.

Dann gibt es noch eine komische Partie, von der ich gar nicht weiß, wie sie heißt:

Sie „glänzt“ auf jeden Fall mit überladenen, saubunten Plakaten, auf denen der Autofahrer meist keinen Parteinamen erkennen kann. Es scheint die Partei der Katzenfreunde, Autofahrer und Gastronomiebetriebe zu sein. Vielleich heißt sie auch so ähnlich: KAG. Oder vielleicht Fahrer-Dönerbuden-Peta.

Der derzeitige amtierende und amtsmüder OB von Aachen ist von der CDU und tritt nun ab. Sein designierter Nachfolger ist Steuerberater und kommt leider auch so daher, siehe Foto. Er ist auch Fraktionschef und scheint wenigstens vom Werdegang her ganz geeignet für den Job zu sein, für den er sich zur Wahl stellt. Aber das Plakat fand ich durchaus verbesserungswürdig.

Der Kandidat wirkt nun mal was… steif. Und. da. hilft. auch. die. merkwürdige. interpunktion. nicht. Im Gegenteil, es wirkt arg bemüht, zum Kandidaten eher unpassend. Ich hätte sowas geschrieben war: „Staubtrocken aber effizient“. Na gut, vielleicht doch nicht. Aber ohne dem Herrn Baal was böses zu wollen – die Begriffe „Wandel“ und „Menschlich“ hätte ich gerade bei dem Foto nicht so in den Vordergrund gestellt.

Und da gab es noch ein Plakat mit dem Schlagwort „Zuhören“, auf dem er aber redend abgebildet war. Großer Faux-Pas! Inzwischen hat die CDU aber nachgebessert, in den letzten Wochen gibt es neue Plakate mit deutlich sympathischer wirkenden Fotos von ihm. Warum nicht gleich so?

Positiv muss ich allerdings anmerken, dass ich an diesem Plakat auch im Vorbeifahren sofort die Marke CDU erkenne. Ob nun positiv oder negativ besetzt: die Farbe, die Schriftart, irgendwie die ganze Aufmachung, das strahlt alles CDU aus. Wenn es darum geht, mir in Erinnerung zu rufen, dass die CDU existiert, dann wirkt das Plakat. Für eine Partei mit einer relativen Mehrheit (wie die CDU im Bund) reicht eine solche Werbung auch aus: wir sind da. Aber da Baal in den Umfragen teilweise auf Platz drei zu finden war, wäre hier vielleicht doch etwas mehr „Mensch = Inhalt“ angebracht gewesen.

Naja, und dann die SPD, an der mein Herz ja eher hängt. Nun habe ich in meinem Wählerleben vermutlich rund Zweidrittel meiner Stimmen der SPD gegeben, der Rest ging mal an die Grünen und selten auch mal an die CDU (gerade bei Aachener Kommunalwahlen, aus persönlichen Gründen). Und vielleicht war mal ein Freier Demokrat oder ein Pirat dabei, das weiß ich schon gar nicht mehr (ich bin da echt flexibel).

Über das SPD-Plakat jedenfalls habe ich mich gerne lustig gemacht, das ist so eine Art Konflikt-Verarbeitung bei mir, glaube ich:

Was sehe ich da? Ein Kandidat, der beschämt nach unten blickt („tut mir leid, ich bin Gewerkschaftler und wollte im Westen politische Karriere machen, da ging halt nur SPD. Bitte wählt mich trotzdem“) . Ein Kandidat, der wörtlich innerlich zerrissen ist. Ein Kandidat, der in klinisch toten Nichtfarben erstrahlt, aber bei dem trotzdem noch ein rotes Herz schlägt. Nicht links, wie bei Oskar Lafontaine, sondern oben rechts, aber vielleicht heißt das auch: Das Herz am rechten Fleck.

Kurzum, ein Kandidat wie die Partei! Und mir dadurch sympathisch, schon auf eine mitleidige Art. Vielleicht auch ein Kandidat wie ich…

Ich glaube aber nicht, dass alle dieses ebenfalls bemühte „Quer-Für-Alle-Denker“ verstehen. Ich zum Beispiel nicht. Oder meine Bekannte, die allen ernstes glaubte, Herr Dopatka sei schwul (ist er meines Wissens nicht, jedenfalls nicht offen, hat nämlich Frau und Kind). Aber warum schwul? Weil Sie folgendes las: „Queer„. „Für Alle“. Und „Denker“. Drei Wörter, also drei Eigenschaften, und das Gehirn versucht, darin einen Sinn zu finden. Und macht die Wörter passend.

Ich hatte dieses Mal gleich vier Stimmen zu vergeben, OB und Stadtrat und Bezirksrat und Städteregionstag. Dazu gibt es noch einen Städteregionsrat, der ist aber ein Mensch und keine Versammlung, also eher ein Städeregionskönig und ist schon vorletztes Jahr gewählt worden. Und meine Frau und Tochter (Erstwählerin!) durften zusätzlich noch den Migrationsrat wählen, wozu es interessanterweise auch per Internetrecherche keine Informations-Möglichkeit gab. Da war wohl wirklich nur möglich, in der Wahlkabine auf dem Zettel einen ansprechenden Namen auszusuchen und anzukreuzen.

Meine vielen Stimmen gingen jedenfalls allesamt an die Partei mit diesem Plakat:

Wir arbeiten für Sie! Name und Gesicht des Kandidaten egal, hauptsache, er oder sie (Geschlecht auch egal!) packt an!

Über Pfeffermatz

... ist ein schokonalytischer Glühwurstematiker.
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